Liebe LeserInnen,
kaum ein Naturspektakel ist beeindruckender als eine Wüste, in der entgegen allen landläufigen Vorstellungen ein Meer an violetten, blauen und gelben Blumen sprießt und blüht. Denn für gewöhnlich gelten blühende Landschaften und Wüste als unvereinbare Gegensätze: die „blühende Wüste“ oder „Blumenwüste“, nach der unser Verein Desierto Florido benannt ist, scheint ein Paradoxon zu sein.
Die Atacama-Wüste in Chile hat uns jedoch 2015 wieder einmal das Gegenteil bewiesen. Ursache dieses einzigartigen Schauspiels ist das globale Klimaphänomens El Niño. Es überhitzt ufernahe Meeresströme und versorgt sonst schnell verdunstende Küstennebel mit ausreichend Feuchtigkeit, sodass diese über der Wüste abregnen und in einer der trockensten Wüsten der Welt für außergewöhnlich hohe Niederschläge sorgen. Genauso wie Mutter Natur alle fünf bis sieben Jahre die chilenische Wüste zum Blühen bringt, möchten auch wir mit unserer Vereinsarbeit dazu beitragen, offenbare Gegensätze in unserer Welt aufzulösen: zwischen Industrie- und Schwellenländern, zwischen nördlicher und südlicher Hemisphäre, zwischen der deutsch- und spanischsprachigen Welt, zwischen europäischen und lateinamerikanischen Gesellschaften und Kulturen.
Obwohl es in unserer vernetzten Informationsgesellschaft einfach ist, über große Distanzen hinweg den Kontakt zu unseren Projektpartnern zu halten und sich regelmäßig mit ihnen auszutauschen, kann dies aus unserer Sicht den persönlichen Kontakt vor Ort nicht ersetzen. Umso mehr freuen wir uns, dass in diesem Vereinsjahr bereits zwei Vereinsmitglieder unsere Projektpartner in Argentinien besuchen und sich vor Ort ein Bild ihres aktuellen Engagements machen konnten. Im zweitgrößten Land Lateinamerikas herrschen im Schatten von Regierungswechsel, sprungartig ansteigender Inflation und angespannter wirtschaftlicher Lage turbulente Zeiten vor.
Angesichts dessen erscheint das Handeln unserer Projekte vor Ort umso dringlicher. Ein besonderer Erfolg für Desierto Florido bestand im vergangenen Vereinsjahr darin, dass wir dem Ursprungsprojekt Inmensa Esperanza (siehe S. 5) den Kauf eines Hauses ermöglichen und damit ein gemeinsames Langzeitziel in die Tat umsetzen konnten. Das Projekt hat den Umzug ins neue Domizil in einem ärmeren Stadtviertel gut überstanden, wo wöchentlich mehr und mehr Familien Lebensmittelpakete in Empfang und soziale Unterstützung in Anspruch nehmen. Ebenso konnten wir die Casita Colectiva (siehe S. 14) dabei unterstützen, ihre Räume durch technische Aufrüstung für zivilgesellschaftliche Gruppen attraktiver zu gestalten.
Eine gesunde Ernährung ist Voraussetzung für erfolgreiche Bildung und diese ist wiederum eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen die Armut. Genau an diesem Punkt setzt unser jüngstes Projekt in Bolivien an. Wir freuen uns, auch weiterhin den Mittagstisch mit integriertem Nachhilfe- und Betreuungsangebot des Jugendzentrums La Libélula (siehe S. 8) unterstützen zu können.
Die Höhepunkte unserer Veranstaltungsarbeit im Jahr 2015 waren die Teilnahme an der Tübinger Nacht der Nachhaltigkeit, die Organisation einer Party unter dem Motto „Feiern für den guten Zweck“ mit begleitendem Salsa-Tanzkurs sowie die Teilnahme am Tübinger Weihnachtsmarkt. Gemeinsam mit dem Tübinger Weltladen waren wir dort mit einem Stand vertreten (siehe S. 18).
Davon abgesehen hat das hinter uns liegende Vereinsjahr einen „Generationenwechsel“ unter den aktiven Mitgliedern in Tübingen eingeläutet. Einige langjährige Mitglieder ließen aufgrund von Studienabschlüssen oder Auslandssemestern Tübingen als ihren Wohnort entweder dauerhaft oder mittelfristig hinter sich und wurden zu externen Mitgliedern; bei anderen steht ein Ortswechsel in diesem Vereinsjahr bevor. Gleichzeitig konnten wir einige neue Mitglieder vor Ort gewinnen. Um auch in Zukunft die Vereinsarbeit mit der richtigen Mischung aus tatkräftigen ortsansässigen und unterstützenden externen, in ganz Deutschland und der Welt verstreuten Mitgliedern bewältigen zu können, stehen die Zeichen des beginnenden Vereinsjahrs ganz auf Neumitgliederwerbung.
Herzlicher Dank gilt allen aktiven und passiven Vereinsmitgliedern sowie UnterstützerInnen, die trotz und gerade in einem von Flucht, Konfl ikten und Kriegen gebeutelten Jahr solidarisch an der Idee und Praxis von blühenden Wüstenlandschaften und unserer einen Welt festhalten.
Freundliche Grüße im Namen des gesamten Vereins sendet Ihnen
Ewa Gardzielewska,
1. Vorsitzende