Sauerstoff für Perú (abgeschlossen)

Ort: San Juan de Lurigancho, Lima, Perú
Projektpartner vor Ort: Schwester Yolanda Arribasplata, CSJ und viele mehr
Projektkoordination: Anna Gröber und Lucia Eberl
Finanzielle Unterstützung: : Spenden mit dem Betreff „Sauerstoff für Peru“ – ca. 13.300 €
Projektdauer: September 2020 – Dezember 2021

Links:

Projektinformationen

Situation in Peru

Die Coronakrise hat Peru hart getroffen und die Infektionen im Land steigen Tag für Tag. Neben überfüllten Kliniken sind der mangelnde Sauerstoff und die damit einhergehenden horrenden Preise dafür auf dem Schwarzmarkt ein großes Problem. Aus dieser Situation heraus hat sich im größten Distrikt der Hauptstadt Lima, San Juan de Lurigancho (SJL), die Wohltätigkeitsorganisation Respira y Vive, übersetzt Atme und Lebe, gegründet. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Sauerstoffversorgung in dem Distrikt SJL mit ca. 1 Mio. Einwohnern und der höchsten Coronainfektionsrate des Landes durch die Aufstellung von Sauerstoffgeneratoren zu verbessern.

Das Projektziel

Das Projektziel

Das hoch gesteckte Ziel war, bei einem Spendenaufruf in Peru im August 2020 mit dem Namen „Oxigenatón“ die Summe von 1 200 000 Soles (umgerechnet ca. 300 000€) zu sammeln, um drei mittelgroße Sauerstoffgeneratoren zu kaufen. Der Plan der Gruppe war, die Sauerstoffgeneratoren, mit denen täglich jeweils 70 Sauerstoffflaschen gefüllt werden sollten, in drei Gemeindezentren aufzustellen. Durch die Verteilung der Generatoren an verschiedene Orte des Distrikts sollte Sauerstoff möglichst vielen Menschen zugänglich sein. Tatsächlich wurden bei diesem Spendenaufruf  140 600 Soles (ca. 30 000€) zusammengetragen. Diese beträchtliche Summe reichte jedoch nicht annähernd, um nur einen dieser Generatoren zu kaufen. Somit wurde eine zweite Spendenkampagne geplant (“Segunda Oxigenatón”), um im Oktober 2020 zumindest ein Gerät finanzieren zu können. Bei dieser Kampagne haben wir Respira y Vive SJL unterstützt.

Das wurde erreicht

Der zweite Spendenaufruf, der sehr groß organisiert wurde, brachte nicht die finanziellen Ressourcen um auch nur einen kleinen Sauerstoffgenerator zu kaufen. Das Projektteam Respira y Vive SJL war nach dem Spendentag sehr enttäuscht und das Projekt drohte zu platzen. Auch durch die mentale Unterstützung von Desierto Florido e.V. schöpften die Organisatoren vor Ort in Peru neue Hoffnung und durch mehrere Großspenden aus dem Ausland, von denen Desierto Florido e.V die höchste Summe zur Verfügung stellte, konnte Ende 2020 zumindest ein kleiner Generator finanziert werden.

Weitere Herausforderungen und eine gute Lösung

Dieses große Ziel stellte das Team jedoch vor neue Herausforderungen. Sie hatten nicht bedacht, dass für den Transport des Generators, das Herrichten des Standorts und den Betrieb des Generators zusätzliche hohe Kosten anfallen.

Das Team machte sich auf die Suche nach einer Kooperation und fand in dem staatlichen Krankenhaus SISOL einen Partner. SISOL wollte nicht nur für die zusätzlichen Kosten aufkommen, sondern stockte das Geld für den Sauerstoffgenerator noch auf, sodass nicht ein kleiner, sondern ein großer Generator bestellt wurde.

Sauerstoff für alle

Als Preis für die Befüllung einer Sauerstoffflasche war nur ein symbolischer geplant, der die laufenden Kosten deckt. Familien, die selbst diesen symbolischen Preis nicht zahlen können, sollen nach dem Prinzip der Nächstenliebe jedoch nicht abgewiesen werden, sondern Sauerstoffspenden bekommen. Damit dies auch mit der Kooperation möglich ist, wurde mit SISOL ein umfassender Vertrag geschlossen, der all dies umfasst. Der Bürgermeister Muñoz der Stadt Lima hat nun sogar angekündigt, dass der Sauerstoff für alle gratis ist.

Respira y Vive SJL war darüber hinaus mit der Caritas in Lima in Kontakt und möchte über Leih-Sauerstoffflaschen auch die Anfangshürde (Kauf einer Sauerstoffflasche) überwinden, um eine Sauerstofftherapie für alle zugänglich zu machen.


Bereits am Tag der Einweihung des Sauerstoffgenerators bildet sich eine Schlange von Personen, die Sauerstoff brauchen

Spenden

Für das Projekt wurden separat Spenden gesammelt. Alle Spenden, die mit dem Betreff “Sauerstoff für Peru” auf dem Vereinskonto eingingen oder auf Betterplace gespendet wurden, kommen den Menschen in San Juan de Lurigancho zugute.

Wir möchten uns hiermit bei allen bedanken, die geholfen haben dieses große Projekt zu realisieren!!

Unterstützung mit Lebensmitteln

Sauerstoffgeneratoren kosten sehr viel Geld und so war schon beim Start der Spendenkampagne klar, dass nur bei Erreichen der kompletten Summe ein Generator gekauft werden kann. Durch den Vertrag mit SISOL wurden für den Sauerstoffgenerator daraufhin  keine weiteren Spenden benötigt. Wir Projektkoordinatorinnen waren mit Yoli, unserer Projektpartnerin vor Ort, in regelmäßigem Kontakt. Sie erzählte von den Ollas Comunes (gemeinsamen Töpfen), die sich zu Beginn der Krise in mehreren Armenvierteln gegründet haben. Die Idee der Ollas Comunes ist, gemeinsam zu kochen und über Rabatte beim Einkauf größerer Mengen sowie durch Lebensmittelspenden, allen zumindest einmal täglich eine warme Mahlzeit zu ermöglichen.

Neben Yoli hatten wir auch Kontakt zu Beyssa, eine der Schulschwestern in San Juan de Lurigancho, die wir Projektkoordinatorinnen aus unserer Zeit im Freiwilligendienst in Peru persönlich kennen. Auch von Beyssa wussten wir, dass bei vielen Familien aus finanziellen Gründen Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs knapp waren. So beschlossen wir, auf mehreren Wegen die Menschen in San Juan de Lurigancho zu unterstützen. Spenden, die uns nach dem Vertragsabschuss für den Sauerstoffgenerator, also ab Anfang November erreichten, wurden Anfang 2021 nach Peru überwiesen.

Über Yoli kamen die Gelder auf diese Weise acht Ollas Comunes als Lebensmittelspenden zugute. Bei den kleineren kochen dabei ca. 10, bei den größeren gute 60 Familien täglich zusammen. Die Schulschwestern unterstützen mit den Spenden Familien mit geringen ökonomischen Ressourcen, die in der Nachbarschaft zu den beiden Häusern der Schulschwestern in San Juan de Lurigancho wohnen mit Lebensmittelspenden. Fünf Familien wurden darüber hinaus auch mit Windeln unterstützten.

Die Corona-Pandemie in Peru

Politische Situation vor der Krise

Corona kam zu einer Zeit großer politischer Unruhen. Der Korruptionsskandal des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht überschattete das Land tief. Der Konzern hatte zahlreiche Politiker in Lateinamerika und Peru geschmiert, um an überteuerte Deals für den Bau von Straßen, Stadien und Kraftwerken zu kommen. Zahlreiche ranghohe Politiker befinden sich derzeit in Haft, da ihnen Korruption nachgewiesen werden konnte. Auch der Vorgänger des jetzigen Präsidenten kam einem Amtsenthebungsverfahren zuvor, indem er zurücktrat und dem damaligen Vizepräsidenten Martin Vizcarra die Regierung überließ. Zwischen diesem und dem Kongress kam es Ende 2019 zu einem Streit um die Vergabe von Richterposten, woraufhin der Präsident den Kongress auflöste und der Kongress den Präsidenten für amtsunfähig erklärte. Eine Interimspräsidentin wurde erklärt, die einen Tag später ihren Dienst quittierte, womit doch Neuwahlen durchgeführt werden mussten. Diese Wahlen, durchgeführt am 26. Januar 2020, blieben ohne klaren Wahlsieg, weshalb Vizcarra nun weiter Präsident blieb, aber keine Mehrheit mehr in seinem Amt hat. Kurz darauf meldete sich Corona auch in Peru zu Wort.

Umgang mit Corona

Anders als andere Präsidenten auf den amerikanischen Kontinenten hat der peruanische Präsident Corona sehr ernst genommen. Nur 6 Tage nach Patient Null und zeitgleich mit der ersten gemeldeten Ansteckung auf peruanischem Boden wurde eine häusliche Isolation angeordnet. Am 16. März, 10 Tage nach Patient Null, wurde in Peru als erstem Land in Lateinamerika der Notstand ausgerufen. Dieser beinhaltete die Schließung der Grenzen, das Aussetzen des öffentlichen Transportes und Social Distancing. Da zumindest letzteres nicht eingehalten wurde, wurde am 18. März eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Den Leuten war es de facto nicht mehr erlaubt, auf die Straße zu gehen, außer um Lebensmittel einzukaufen, zur Apotheke oder zum Arzt zu gehen, oder ähnlich wichtige Dinge zu erledigen.

Ausgangssperre – nicht für jeden umsetzbar

Eine Ausgangssperre in einem Land wie Peru, mit einem auch für Südamerika florierenden informellen Sektor (vor der Pandemie waren um die 73% informell beschäftigt) verlangt einiges von den Leuten ab. Wenn man heute vor die Türe muss, um das Geld für das Essen für Morgen heranzuschaffen, ist es nicht so einfach getan mit einer Ausgangssperre. Der Staat versprach verschiedene Boni, um die Ärmsten der Armen zu unterstützen. Leider mahlten jedoch auch hier die Mühlen der Behörden sehr langsam. Viele Leute bekamen keinen Bonus zugesprochen. Da die Mehrheit der Peruaner über kein Bankkonto verfügt, mussten die, die einen bekamen, zur Nationalbank, um dieses Geld am Schalter entgegenzunehmen. Die Nationalbank Perus sticht einem vor allem deshalb ins Auge, da alle Behördengänge hier bezahlt werden müssen und es immer immens lange Schlangen gibt. Schlimmer noch zu Coronazeiten: Die Menschen hatten nur diese Anlaufstelle, und mussten nun mit vielen hunderten anderen Personen auf ihre Ration warten.

Staatlich versprochene Lebensmittelhilfen kamen teilweise nicht bei den Familien an, da auch hier korrupte Hände im Spiel waren, die versuchten, sich an diesen Lebensmitteln zu bereichern.

Anfangs sah es den Berechnungen nach ganz gut aus und es schien, als ob Peru das Virus der damaligen ersten Welle in den Griff bekommen würde. Die Fälle stiegen nicht so drastisch an, wie prognostiziert. Aber da die Hilfen nicht bei den Menschen ankamen, waren diese gezwungen, sich wieder auf die Straße zu begeben und zu versuchen, irgendwie Geld heranzuschaffen. Drakonische Strafen waren hier zweitrangig. Oft hörte man Leute sagen: “Ich ziehe es vor, dass meine Familie an Corona stirbt, als dass ich sie verhungern sehe.”

Märkte als neue Infektionsherde

Zu allem Übel entwickelten sich die Märkte zu großen Infektionsherden. In Lima mit knapp 10 Millionen Einwohnern müssen jeden Tag mehrere tausend Menschen auf den Markt, um Lebensmittel zu kaufen. Jedoch wurde durch die strenge Ausgangssperre auch die Zeit verkürzt, in der die Menschen Besorgungen machen konnten, was zu Chaos und zu ungewollten Menschenansammlungen führte.

Das Gesundheitssystem kollabiert

Peru setzte von Anfang an auf Testen, um dem Virus den Kampf ansagen. Daher sah es lange so aus, als ob die höheren Infektionszahlen im Vergleich zu denen sämtlicher Nachbarländer auf die höhere Anzahl an Tests zurückzuführen gewesen wären, aber der Schein trog. Das Gesundheitssystem in Peru ist noch sehr weit ausbaufähig. Die Regierung kündigte an, ein komplettes Krankenhaus nur für Covid-19 Patienten zu reservieren. Das panamerikanische Dorf, in Peru wurden 2019 die panamerikanischen Spiele abgehalten, sollte mit bis zu 3000 Betten bestückt werden, um die an Corona erkrankten Patienten versorgen zu können. Auch die 40 Intensivbetten mussten mit Hochdruck erweitert werden. Leider wurden die Betten nicht schnell genug aufgestockt. Bereits Mitte April 2020 zeichnete sich ein medizinischer Kollaps ab: Es fehlten Intensivbetten, medizinisches Personal und Ausrüstung.

Am 20. April war es sogar für Covid-19-Patienten, die einen kritischen Status erreicht hatten, schwer, ein Bett in einem Krankenhaus zu bekommen. Kurz später geisterten bereits Bilder mit sich stapelnden Leichensäcken in Krankenhäusern durch die peruanischen Nachrichten.

Mangelware Sauerstoff

Bald kristallisierte sich heraus, dass die Beatmung der Patienten ein riesiges Problem sein würde. Sauerstoff wurde knapp. Er wurde in nur sehr geringer Menge in Peru selbst hergestellt. Das meiste muss teuer importiert werden. Die Krankenhäuser schlugen Alarm, da die Patienten nicht mehr beatmet werden konnten. Der wenige Sauerstoff, den es in Peru noch gab, wurde fast ausschließlich auf dem Schwarzmarkt angeboten. Auch hier hatten Korruption und Spekulation ihre Hände im Spiel. Präsident Vizcarra versuchte, den Sauerstoff zur Staatssache zu erklären, aber leider zu spät. Die Preise stiegen um das Achtfache, von 600 Soles pro Flasche (rund 140 Euro), was fast dem kompletten peruanischen Mindestlohn entspricht, auf 4 800 Soles (rund 1130€). Je nach Zustand des Patienten reichen 10 Kubikmeter für 24 bis 96 Stunden, was die Versorgung zu einer immens teuren Angelegenheit macht. Es gab relativ früh schon Hilfsprojekte im Süden Limas, wo man seine Flasche für 15 Soles befüllen lassen konnte. Jedoch musste man hier in sehr langen Schlangen warten und die Kapazitäten waren begrenzt: Nur rund 100 Flaschen pro Tag könnten befüllt werden. Auch an anderen Stellen, bildeten sich lange Schlangen und die Menschen warteten tagelang um ihre Flaschen für viel Geld befüllen zu lassen.

Zweite Welle

Die zweite Welle erreichte Peru Anfang des Jahres 2021. Besonders betroffen waren erneut Menschen und Familien mit geringem Einkommen. Das Gesundheitssystem war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor überlastet. Und wieder fehlte es an Sauerstoff.

Anfang Februar 2021 sind im Land die ersten Impfdosen angekommen und die Hoffnung war groß, damit die Not zumindest teilweise in absehbarer Zeit zu lindern. Leider dauerte die Impfkampagne aufgrund der Knappheit an Impfstoff, wie in anderen Ländern Lateinamerikas, deutlich länger als bei uns in Europa.

Wir freuen uns auch, dass wir mit dem Sauerstoffgenerator, der Mitte Februar 2021 eingeweiht wurde, einen kleinen Beitrag zur Linderung der akuten Sauerstoffknappheit leisten konnten und mit Hilfspaketen für viele Familien die schwierige Situation akut verbessern konnten.